Santo Stefano di Camastra ist eine Stadt der Provinz Messina in der
Region Sizilien in Italien und liegt 112 km westlich der Stadt Messina.
Hier wohnen 5.011 Einwohner, die in der Hauptsache in der Landwirtschaft,
des Keramikhandwerkes und der Fischereiindustrie arbeiten.
Santo Stefano war ursprünglich ein Bauerndorf, auf einem hohen Hügel
gelegen, weit entfernt vom tückischen Meer und von Piratenüberfällen,
um den Boden zu bestellen und die Herden zu weiden. Aber irgendeines Tages
in jenem fernen Winter des Jahres 1682 zerrissen Wasser und Schlamm Leben und
Häuser und ließen wenige zurück.
Der Herzog von Camastra, Don Guiseppe Lanza Barese, ein Großgrundbesitzer
von Lehen, die es zu bestellen galt - gewährte den Bewohnern von
Santo Stefano aus Mitleid und Interesse einen neuen Platz, an dem sie
die neue Stadt größer und moderner bauen konnten. Im Jahre
1683 begann die heutige Siedlung nach dem Grundriss einer Raute, die
einem Quadrat einbeschrieben ist, Form anzunehmen, ein wenig wie die
Gärten von Versailles oder der Palazzo Reale von Madrid.
Es entstanden neue Häuser, neue Straßen, und mit großer
Lust wandelten sich die Hirten und Bauern zu Handwerkern, die mit dem
in großen Mengen gefundenen Ton arbeiteten. Zum einen schufen sie
Gegenstände für den Haushalt, Gefäße, Teller und
Geschirr unterschiedlicher Art, zum anderen Gegenstände für
den Bau, Dachziegel, Ziegelsteine, Regenrohre. Dann folgten die verzierten
Fliesen für die Festräume der Adeligen und Steinreichen. Die
Verzierung schlängelte sich auf einer, vier oder acht Fliesen und
wurde mit Hilfe einer kleinen Schablone aus geschnittener Pappe oder
aus freier Hand geschaffen.
Die dekorativen Motive waren fast immer geometrisch oder floral in den
traditionellen Farben von Santo Stefano: kupfergrün, gelborange,
kobaltblau, manganrot.
Heute werden diese Fliesen wieder denjenigen angeboten, die es lieben,
Häuser nach dem Geschmack und in dem Zauber der alten Tradition
instand zu setzen. Aber erst in den Jahren des wirtschaftlichen Aufschwungs
der Nachkriegszeit begann Santo Stefano sich als Stadt der Keramik durchzusetzen.
Und mit unternehmerischem Geist industrieller Art gelang es, alle anderen älteren
und renommierten Zentren der Keramikproduktion in Sizilien und in Süditalien
zu übertreffen. Der Ruhm von Santo Stefano dehnt sich immer weiter
aus, lockt die internationalen Märkte und diejenigen, die alte Kunst
lieben und neue begeisternde Arbeits- und Kulturerfahrungen machen möchten.
Die Museumsstadt Santo Stefano mit ihren vielfältigen Keramikarbeiten
im Stadtraum, ihrem Museum, der Kunstschule, dem bezaubernden Alten Friedhof
und dessen Grabhäusern, die mit alten Majolikafliesen verkleidet
sind, den Straßen der Altstadt, den einfachen und gastfreundlichen
Menschen - all das ist lebendige, arbeitsame Realität von faszinierender
kreativer Intelligenz, offen für Innovationen und respektvoll im
Umgang mit der Tradition.
Als Ort des Südens, der die europäische Realität, als
deren Teil er sich fühlt, genau beobachtet, fährt Santo Stefano
auf diese Art fort, seine Geschichte von einem kleinen "Großzentrum" der
alten Keramikkunst zu schreiben, in einer beständigen Bewegung des
Lebens gemäß jenem geheimnisvollen Traum, der schon immer
den Menschen auf der Suche nach der Erkenntnis des eigenen Seins beschäftigt
hat.
Kommt der Besucher auf der Küstenstraße von Palermo nach
Messina durch Santo Stefano di Camastra, so ist für ihn leicht erkennbar,
dass sich in diesem kleinen Städtchen auch heute noch alles um Keramik
dreht.
In nahezu ununterbrochener Folge reiht sich an der Via Nazionale ein
Verkaufsladen an den anderen. Mit seinen über fünfzig keramischen
Werkstätten bietet Santo Stefano di Camastra ein überaus reichhaltiges
Angebot an Tonwaren. Auffällig ist, dass die meisten ortsansässigen
Keramikproduzenten ihre Objekte glasieren, also Majolika im alten Sinne
herstellen. Dabei ergibt sich ein sehr vielschichtiges Gesamtbild: Neben
dem einfachen Gebrauchsgeschirr mit sehr unterschiedlichen traditionellen
Dekoren findet man Dekorationsgegenstände aller Art, neben Fliesen
und Baukeramik das künstlerische Unikat. Vom Ein-Mann-Unternehmen
bis zur Manufaktur im großen Stil sind alle nur denkbaren Betriebsformen
vertreten.
|